Mitte Juni 2020 veröffentlichte ich meinen zweiten Roman bei Amazon KDP (zwei Jahre nach meinem Erstlingswerk, einer Trilogie). In den sozialen Medien stolperte ich immer einmal wieder über einen bestimmten Self-Publishing-Dienstleister und wurde neugierig. Also erbat ich ein Vertragsangebot, um zu erfahren, wie so etwas abläuft, welche Vor- und Nachteile man davon hat, ob ich es mir überhaupt leisten kann etc. Ich berichtete über meine vier Bücher, wobei jedoch keine Verkaufszahlen abgefragt wurden.
Wenige Tage später erhielt ich eine Absage. Die Begründung war blabla, im Sinne ‚es werde für beide Seiten nicht lukrativ genug ausgehen‘. Da man aber ‚durchaus das Potential erkenne‘, schenkten sie mir einen Gutschein für einen BOD-Dienstleister, mit dem ich mir die Registrierungsgebühr hätte sparen können (glücklicherweise informierte ich mich rechtzeitig im Internet über dieses Unternehmen und ließ die Finger davon – aber sowas von!).
Ich bat um ein ehrliches Feedback, um diese Entscheidung besser verstehen zu können und erwartete natürlich, dass ihnen meine Bücher nicht gefallen hatten. Beziehungsweise – EIN Buch, denn in der Kürze der Zeit konnten sie unmöglich alle vier gelesen haben. Ergänzend fügte ich die Verkaufszahlen bei, die sich durchaus sehen lassen können.
Freundlicherweise erhielt ich tatsächlich eine Antwort, aus der sich vor allem eines herauslesen ließ: Der Inhalt meiner Bücher oder deren Qualität waren gar kein Kriterium. Das ‚Problem‘ lag an meinen Social Media Präsenzen. Sie versprachen keine ausreichenden Absatzmöglichkeiten. Heißt für mein Verständnis: Zu wenige Follower. Holy shit, wie naiv war ich gewesen, dass ich tatsächlich dachte, es gehe um gute, ungewöhnliche Geschichten. Die einem Verleger so sehr gefallen, dass er alles daran setzt, sie einem breiten Publikum bekanntzumachen. Nö, das läuft genau andersherum. Bring mit deinem Buch das breite Publikum bereits mit, dann erst steigen wir ein, holen uns ein Stück von deinem bereits gebackenen Kuchen und sind dann auch gewillt, ein wenig Zuckerguss darauf zu verteilen.
Danach fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren – das ist also der Grund für all diese Schnickschnack-GiveAway-Aktionen auf Instagram, Twitter & Co. Und der Grund, warum man Follower und Likes kaufen kann. Ich dachte, dabei ginge es darum, bekannter und vielleicht von jemandem ‚entdeckt‘ zu werden. Leser zu finden, denen die eigenen Werke gefallen und die vielleicht endlich auch mal eine Rezension auf Amazon schreiben, um sich für mein kostenloses Buch zu revanchieren. Dass man die Reviews braucht, um beim Storyteller Award eine Chance zu haben, wusste ich ja schon, aber ich habe den Fehler begangen, es nur auf den Wettbewerb und nicht auf die gesamte Branche zu beziehen. Ich denke einfach nicht kapitalistisch genug, ich war noch nie besonders gut in Karrieregeilheit.
Ja, ich habe zu beiden Releases auch das eine oder andere Event durchgeführt – auf Foren, in denen ich unterwegs bin. Als Reward gab es ein signiertes Taschenbuchexemplar und ich habe ein paar Goodies verlost, Kühlschrankmagnete mit den Büchern entnommenen Motiven. Gerade mal zehn Stück hatte ich jeweils zur Verfügung, denn die Beschaffung war viel zu teuer für meinen Geldbeutel. Hunderten von Followern etwas zu schenken, könnte ich mir gar nicht leisten.
Dann stieß ich auf der Website einer Buchcover-Designerin beim Anschauen ihrer wunderschönen Cover-Muster auf zwei mir bislang unbekannte Verlage. Beide ließen in seltsamerweise fast identischem Wortlaut wissen, dass sie vorerst einen Aufnahmestopp für Manuskripte verhängt hätten. Neugierig schaute ich nach den Annahme-Kriterien, um bei einer erneuten Öffnung vielleicht mitzumachen. Da gab es doch tatsächlich eine Voraussetzung, die man erfüllen musste, um überhaupt einreichen zu dürfen. Erst dann würde eine Aufnahme ins Programm geprüft werden. Die Voraussetzung war: Mindestens 500 (!!) Follower auf einem Social-Media-Kanal. Heilige Supernova … was für ein shit.
Und die Krönung: Zur Zeit lese ich einen Roman der Spiegel-Bestseller-Liste. Der Verfasser verfügt über massig Fans/Follower auf unterschiedlichen Platformen. Beeindruckt habe ich eingangs die Namen von Lektorat und Korrektorat wahrgenommen, denn solche Professionelle muss man sich erst mal leisten können. Ich habe da nur die Hilfe meiner Testleser und mich selbst, die Rechtschreibfehler hasst wie die Pest.
Es hat mindestens ein Drittel dieses Bestsellers gebraucht, bis ich trotz des erstaunlich … (weiß gar nicht wie ich es beschreiben soll) Schreibstils auf die weitere Entwicklung der Story neugierig wurde. Jetzt gegen Ende wird es langsam gut.
Wirklich schlimm ist aber die unglaubliche Menge an Rechtschreibfehlern. Ein bis zwei oder drei pro Roman nehme ich nicht unbedingt übel, das kann schon mal passieren (sicherlich auch mir selbst), aber hier hat jemand gewaltig geschlafen. Und dann diese Wortwiederholungen, als gäbe es weder Thesaurus noch Synonyme! Und die grammatikalischen Verhedderungen, weil man zu unkreativ war, Vergangenheitsformen einfach stilistisch anders zu präsentieren. Ich kann es mir nur mit Zeitknappheit erklären. Da müssen zwei oder drei Bände innerhalb kürzester Zeit publiziert werden und vielleicht hat sich die Autor*in voll und ganz auf die Fähigkeiten von Lektorat/Korrektorat verlassen, ohne alles selbst noch einmal abschließend zu prüfen.
Ich will mich hier nicht aufspielen, es handelt sich selbstverständlich um meine persönliche Meinung und meinen persönlichen Qualitätsanspruch. Jemand anderes wird meinen Schreibstil nicht mögen und darf es natürlich, die Geschmäcker sind verschieden. Aber SO VIELE Rechtschreibfehler findet man bei mir nicht. Punkt. Auch nicht ein so auffällig stilistisches Nichtbemühen (was natürlich am Lektorat gelegen haben mag).
Eine Rezension wird es von mir nicht geben. Bei aller Kritik haue ich keine Kolleg*innen in die Pfanne. Da muss ein Buch schon so grottenschlecht gewesen sein, dass Weiterlesen eine unerträgliche Zumutung gewesen wäre (solche Werke sind mir glücklicherweise nur sehr selten untergekommen^^).
Die Spiegel-Liste sehe ich nun mit anderen Augen. Sie sagt nichts, aber auch gar nichts über die Qualität eines Buches aus. Aber als Maßstab für Social-Media-Connections kann sie durchaus herhalten.
So, das musste ich loswerden. Und mein Fazit? „Da krieg ich plague.“ Und eingerollte Fußnägel XD Nichts für mich. Die/das nötige Zeit/Geld widme ich lieber dem Schreiben meines nächsten Buches. Vielleicht werden meine Geschichten ja in ferner Zukunft einmal über die Leserschaft verfügen, die sie verdienen. Ganz ohne Social Media pushing. Meine Seele verkaufe ich dafür jedenfalls nicht.